Die folgende Geschichte ist 1966 in Besenkamp wirklich passiert. Alle älteren Besenkämper können sich noch daran erinnern. Sogar der WDR wurde damals informiert und hat berichtet, das Lübke Besenkamp besuchen will. Isolde Schultz-Osterwald hat die Geschichte später aufgeschrieben und 1985 in ihrem Buch “Für 5 Pfennig Heiteres und Weiteres“ veröffentlicht. Ich danke Herrn Schultz für die Genehmigung, um die Geschichte hier darstellen zu können. Bei Büro Schultz gibt es auch noch Restbestände der Bücher zu erwerben
Der Staatsbesuch in Besenkamp
Wirklich, es ist noch nicht sehr lange her. Es geschah zu der Zeit, als Heinrich Lübke noch Bundespräsident war.
Und es hatte zu tun mit dem Fest der Feste, die ein Dorf zu feiern hat, dem Schützenfest.
Wann immer die Schützen antreten, um den Dorfschützenkönig zu ermitteln, hat es zu tun mit vielen offiziellen Reden, mit traditionsreichen Bräuchen, mit Ehrungen, Beförderungen und „Löhnung“ , die im allgemeinen aus Hochprozentigem besteht, das reichlich mit Flasche und „Pintchen“ herumgereicht wird.
So gehörte es auch unbedingt dazu, dass der Bürgermeister einen Ehrenschuss abzugeben hat. Früher galt dieser Schuss seiner Majestät dem Kaiser. Gelang dem Bürgermeister der tagesbeste Schuss, so wurde der Potentat zum Ehrenschützenkönig ernannt. Dann kam ein Schreiben von seiner Majestät oder auch eine Geldzuwendung. Der Verein, alle Schützen und das Dorf waren dann geehrt und hocherfreut.
Da es keinen Kaiser mehr gibt, die Tradition aber weitergetragen werden soll, fällt nun der Ehrenschuss für den Bundespräsidenten.
Und, kuik: Willi Hellmann traf für den Bundespräsidenten ins Schwarze!!
Eine Meldung wurde formgerecht aufgesetzt und ans Bundespräsidialamt geschickt. Die Würde wurde angenommen und ein herzliches Schreiben, unterschrieben vom Bundespräsidenten persönlich, mit Dankesworten, Glückwünschen und einem kleinen Präsent, wurde in Empfang genommen und herumgereicht, schließlich eingerahmt und im Vereinslokal an die Wand gehängt. Die Schießkarte von Willi Hellmann dazu.
Der Sommer kam. Man dachte schon wieder an das nächste Schützenfest, versäumte auch nicht, dem Ehrenschützenkönig eine Einladung zu übermitteln. Schließlich weiß man in Besenkamp, was sich gehört. Und schließlich könnte ja auch einmal …….
Die Schulkinder brüteten bei gutem Sommerwetter über der Mathematik. Die flachen Stirnen kräuselten sich vor Anstrengung bei dem Bemühen, die Primzahlen zu erfassen.
Da öffnete sich die Tür. „Schluss ! Aufhören ! Lauft alle mal auf den Schulhof und sammelt Papier auf! “ Die Stimme des Schulleiters überschlug sich vor Aufregung.
Ein Schüler fragte erstaunt: “ Was ist Los ? “
„Lübke kommt ! “
Dann erläuterte er, daß auf die Einladung des Schützenvereins eine Antwort gekommen wäre, daß anläßlich der Kieler Woche der Bundespräsident auf dem Rückflug von Kiel eine Zwischenlandung mit dem Regierungshubschrauber auf dem Besenkämper Sportplatz machen wolle. Für eine Stunde würde er verweilen, den Meisterschützen kennenlernen und die übrigen Schützen begrüßen.
Das Telegramm hatte der Bürgermeister erhalten und hatte dann, da nur noch begrenzt Zeit war, alle erreichbaren Schützen angerufen. O Gottegott. Vor allen Haustüren wurde gekehrt. Die weißen Sonntagsstrümpfe für die Kinder wurden herausgelegt. Die Frauen drehten die Haare noch fix auf Lockenwickler. „Fahnen! Wo kriegte man Fahnen her?“ In Enger auf dem Amt hatten sie auch keine vorzeigbaren mehr. So sauste einer los, um bei Lamm in Bielefeld Fahnenschmuck zu besorgen.
Eine Tribüne ? Dafür war es zu spät.
Aber Bauer Weßling spannte den Trecker vor den Anhänger, vier Leute sprangen auf, Sägen und Beile in der Hand, um aus dem Wäldchen Grün zu holen, das an der Strasse aufgestellt werden sollte. Blumen? Ob in Bielefeld auf dem Wochenmarkt noch Schnittblumen zu haben waren? Kübel und Eimer könnte man noch schnell füllen. An alles wurde gedacht.
„Aber die Straße müßte doch wenigstens abgesperrt werden.“ – Man sieht, in Besenkamp gibt es Organisationstalente. Alles kochte, brodelte, wirbelte durcheinander, es gab keinen, der nicht mithalf.
Nein diese Ehre !
Der Schuster kam atemlos vom Telefon. „In Enger können sie uns keine Polizei zum Absperren schicken?!!! Das muß Herford tun!“ Inzwischen hatten die Kinder den Schulhof in einen musterhaften sauberen Platz verwandelt, alles war aufgeräumt, ordentlich und sauber. Die Kinder wurden nach Haus entlassen, um mit Hand anzulegen, sich vorzubereiten für das große Ereignis.
Die Aufregung wuchs.
„Herford sagt: solange sie keine Weisung von Bonn haben, können sie in Sachen Absperrung wegen des Staatsbesuchs nichts unternehmen. Die Verbindung nach Bonn wird aber aufgenommen !“
Hektik lag über dem Sportplatz, über den Straßen, die Leute konnten schon nicht mehr ruhig sprechen, man schrie sich an, wenn eine Birke nicht die nötige Standfestigkeit in dem Sand fand, der in dem Loch des herausgerissenen Pflastersteines saß.
„Bonn weiß von nichts !“
Die führenden Männer des Schützenvereins steckten die Köpfe zusammen: „Bonn weiß nichts ?“
„Ja, woher kam denn das Telegramm ?“
Nachforschungen ergaben, daß das Telegramm in Herford auf einer Postzweigstelle aufgegeben war.
Ein Schildbürgerstreich ?
Man ermittelte und fand einen Mann, der lauthals lachte, als man ihn überführte.
Die zweihundert Mark Strafe, die er für den angezettelten „Unfug“ erhielt, zahlte er gern. Das war ihm der Spaß wert.